Vor vielen, vielen Jahren lernte ich Annette Ahrens während einer universitären Exkursion zum Thema "Barocke Adelskultur" kennen. Mich faszinierte schon damals, dass sie eine beachtliche Sammlung an Porzellan-Mopsen ihr Eigen nannte und sich außerhalb der Universität große Kenntnis über europäische Tafelkultur angeeignet hatte. Glücklicherweise gibt sie dieses Wissen weiterhin gerne und voller Begeisterung an Dritte weiter.
Tafelkulturistin Annette Ahrens © Ian Ehm
Annette Ahrens (geb. 1972 in Wien) studierte Ökonomie und Kunstgeschichte in Wien und Prag. Nach beruflicher Erfahrung in unterschiedlichen Museen und Auktionshäusern, handelt sie heute selbstständig mit Objekten der Tafeldekoration aus Porzellan, Silber und Glas der vergangenen drei Jahrhunderte. Abgesehen davon ist Annette Ahrens Autorin kunsthistorischer Beiträge zum Thema Tafelkultur. Als Expertin und Leihgeberin wird sie zudem oftmals für Filmprojekte und TV-Sendungen konsultiert.
Liebe Frau Ahrens,
woher kommt Ihre Liebe zu Kunst & Antiquitäten und wann kam der Entschluss, in diesem Bereich auch beruflich tätig sein zu wollen?
Ich bin mit Antiquitäten aufgewachsen, der böhmische Teil meiner Mutter hatte mir dieses Blut und das Verständnis für eine klemmende Lade einer Biedermeierkommode nahe gebracht. Schon während meines Kunstgeschichte-Studiums hatte ich mich auf das Kunstgewerbe spezialisiert und später den Erhalt der Tafelkultur als meine Herzensangelegenheit entdeckt.
Umgeben Sie sich auch privat mit Kunst & Antiquitäten? Wie würden Sie Ihren Einrichtungsstil beschreiben?
Ja, ich lebe meine Leidenschaft, ich habe die Möbel, Gemälde und Kunstgegenstände, die mich täglich umgeben ganz bewusst ausgesucht, bzw. am Kunstmarkt erbeutet. Der Jagdtrieb nach seltenen, gut erhaltenen Dingen ist doch ein wesentlicher Bestandteil der Liebe für Antiquitäten.
Gibt es eine Antiquität, ein Designobjekt oder ein Kunstwerk, das ganz oben auf Ihrer Wunschliste steht?
Es wechselt mit den Aufgaben und Aufträgen, die ich habe. Als ich das Augarten Museum kuratierte war mein Suchsinn nach frühen Wiener Porzellanen ausgeprägt. Als ich das Buch über Rokokofiguren der Wiener Sammlung Faltus schrieb, lächelten mir viele Putti und Krinolinenfiguren entgegen. Beim Ausstatten eines neuen Designerhotels musste ich mich mit Vintage-Objekten auseinandersetzen und konnte so ihren Charme erkennen.
Kunsthandwerk & Design - Vitrinenstück oder Gebrauchsgegenstand? Was raten Sie Ihren Kunden?
Auf alle Fälle immer verwenden! Objekte der Tafelkultur wurden geschaffen, um sie bei Tisch zu begreifen und einzusetzen. Ausserdem läuft Silber erst gar nicht an, wenn es regelmässig verwendet wird. Wozu sollte man all diese wunderbaren Nützlichkeiten besitzen, wenn man sie nicht auch verwendet? Vitrinenobjekte darf man im Museum anschauen, aber nicht zu Hause.
Können Sie uns aktuelle Tipps für Kunst und Kultur verraten (Events, Bücher, Podcasts, Apps, Spaziergänge etc.)?
Ich rate, sich mit den Objekten auseinanderzusetzen, die man schon zuhause hat. Festzustellen, dass es Spass macht das Silber selbst zu putzen oder die geerbten Bestecke wieder mal in die Hand zu nehmen und zu fühlen wie schwer eine Gabel in der Hand liegen darf. Events dürfen nun wieder stattfinden, die Gesellschaft für Koch- und Tafelkultur zum Beispiel bemüht sich vom backstage-Führungen in Luxushotels, bis zum Spargelstechen ein vielfältiges Angebot zu geben. Das Buch „Consider the fork“ von Bee Wilson ist ein Dauerbrenner auf meinem Nachtkästchen.
An welchem Projekt arbeiten Sie gerade?
Ich löse gerade eine 200 m2 Wohnung auf der Wiener Tuchlauben auf, eine über 30 Jahre gewachsene Sammlung an Gemälden, Möbel, Silberobjekten wie Kaiserhaus-Memorabilien suchen einen jüngeren Liebhaber. Und mein Corona-Baby – mein kuratierter Tafelkultur-Onlineshop bedarf täglicher Fütterung: https://annette-ahrens.at/onlineshop/
Herzlichen Dank für das Interview!
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